Sonntag, April 28, 2024
StartPolitik3.WeltkriegInvader statt Defender 2020: Warum rollt eine ganze US-Armee durch Deutschland?

Invader statt Defender 2020: Warum rollt eine ganze US-Armee durch Deutschland?

Warum Amerika Truppen von der Größe einer Armee nach Europa schickt, hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dieser Tage erklärt: Terror bekämpfen, Russland eindämmen und Antworten finden auf die Herausforderung China. Derzeit sind so viele US-Soldaten in EU-Ländern stationiert wie noch nie seit Ende des Kalten Krieges. Bald werden es noch mehr.

Washington schickt 20.000 Militärs über den Atlantik in den Osten: In wenigen Wochen beginnt in Europa die größte Militärübung der letzten 25 Jahre – DEFENDER 2020. Haupttruppensteller sind die USA.

40.000 Helme

Deutschland wird bei der Übung zur logistischen Drehscheibe gemacht. Tausende von US-Soldaten kommen Ende Januar schon in die Bundesrepublik, und im März findet dann das Manöver statt – auf dem Gebiet von zehn europäischen Ländern mit Beteiligung von 18 Nato-Staaten. Insgesamt sollen mehr als 40.000 Militärangehörige in die Übung einbezogen werden, 37.000 Soldaten und Offiziere stellen allein die USA.

Die Nordatlantikallianz vergleicht die diesjährige DEFENDER-Übung mit dem REFORGER-Manöver, das in Europa von 1969 bis 1993 regelmäßig durchgeführt wurde. Zweck der damaligen Großübung war es, zu demonstrieren, dass die Nato bei einem Krieg mit dem Ostblock Truppen schnell nach Westdeutschland verlegen könne. Jedes Mal wurden amerikanische Truppenverbände über den Atlantik verschifft: Beim REFORGER-88 ballte sich in Westdeutschland ein Kontingent von 125.000 Soldaten.

Das DEFENDER-Manöver aber werde ein Stück weit „komplizierter“ als die Übung im Kalten Krieg, erklärte Christopher Cavoli, Oberbefehlshaber der US Army Europe, vor Journalisten.

„Im Kalten Krieg wurden Truppen in ein vertrautes Gebiet entsandt zur Verteidigung vor einem Gegner, den wir gut kannten. Das Einzige, was wir damals nicht wussten, war, wann der Krieg beginnen wird. Diesmal aber verlegen wir enorme Kräfte, die in vielen Ländern zu stationieren sind. Wobei wir nicht wissen, wem wir uns werden entgegenstellen, vor wem wir uns werden verteidigen müssen.“

Aufrichtig war Cavoli in dieser Erklärung nicht: Die Anti-Russland-Ausrichtung von DEFENDER 2020 ist nicht zu verkennen. Das Truppenkontingent aus den USA wird größtenteils im Baltikum und in Polen stationiert, an der Nato-Ostflanke – oder einfach: an russischen Grenzen. Die Übungslage schreibt vor, dass westliche Truppen ein Gebiet von einem „Aggressorland“ einnehmen und solange halten, bis weitere Truppen nachgerückt sind.

Das Gerede von „russischer Gefahr“ klingt auch diesmal im Westen durch. „Es fallen zahlreiche Berichte westlicher Medien auf, deren Autoren den Lesern ‚ernsthafte Beunruhigung’ in Bezug auf die Gefahr für die Sicherheit von Nato-Ländern aufzwingen, die angeblich vom russischen Kaliningrad ausgeht, das ‚mit neuesten Waffen vollgespickt’ sei“, erklärte das russische Außenministerium im vergangenen Dezember. „Westliche Medien versuchen auf ihre typische Weise, in der Gesellschaft ein Bild vom ‚russischen Aggressor’ zu verbreiten.“

Laut dem russischen Außenamt verweisen westliche Medien dabei vielfach auf General Jeffrey Harrigian, den Oberbefehlshaber der US Air Force Europe. Dieser habe erklärt, das Pentagon verfüge über Pläne zum Durchbrechen der mehrschichtigen Flugabwehr im Gebiet Kaliningrad, sollte Russland im Baltikum einmarschieren. „Dabei wird die Tatsache verschwiegen, dass die Optimierung der militärischen Möglichkeiten auf dem Gebiet der Exklave ausschließlich von Überlegungen zum Erhalt des Gleichgewichts der Kräfte geleitet ist“, so das russische Außenministerium.

Strategische Enklave

Über 800 Mal flogen Aufklärungsflugzeuge der Nato im vergangenen Jahr rund um das Gebiet Kaliningrad. Das Pentagon stuft das russische Landstück an der Ostsee als ein strategisch wichtiges Gebiet ein. Kaliningrad ist vor feindlichem Zugriff besonders gut geschützt. Nach Ansicht westlicher Experten sichern taktische Raketensysteme Iskander, Flugabwehrsysteme S-400 und Schiffsabwehrsysteme Bastion das Gebiet zuverlässig vor jedem Angriff – Fachleute sprechen von A2/AD-Waffen: Anti Access/Area Denial.

Sollte es zum Schlimmsten kommen, dass die Nato sich mit ganzer Wucht auf Kaliningrad stürzt – dann wird die Stadt nach Expertenmeinung wahrscheinlich fallen (vorausgesetzt, Russland verzichtet auf den Einsatz von taktischen Kernwaffen und die Mobilisierung von Reservisten). Die Angreifer würden aber in jedem Fall unangemessen hohe Verluste erleiden.

Ein weiterer Beleg dafür sind neuste Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums. Nach Informationen der Behörde vom 22. Januar hat ein im fernöstlichen Burjatien stationierter Verband russischer Raketentruppen kürzlich die Verlegung von „Spezialmunition“ in ein „bestimmtes Gebiet“ trainiert. Es sei darum gegangen, den reibungslosen Verfahrensablauf zwischen Logistikeinheiten und den Mannschaften von Munitionsversorgern zu üben, die zum Nachladen von Iskander-Systemen bestimmt seien.

Experten vom Zentrum für Strategie- und Technologiestudien haben erklärt, diese Meldung des russischen Verteidigungsministeriums sei als erste offizielle Bestätigung dessen aufzufassen, dass in den taktischen Raketensystemen Iskander-M atomare Gefechtsköpfe vorhanden seien.

Dass diese Systeme im Gebiet Kaliningrad stationiert sind, macht die Enklave zu einer für die Wehrfähigkeit Russlands strategisch wichtigen Region. Dies hat auch der Westen erkannt. „Die Nato-Länder verstärken permanent ihre Militärpräsenz in der Nähe unserer Grenzen und arbeiten daran, die Schnelligkeit bei der Verlegung von Kräften an die Ostflanke zu erhöhen“, erklärte das russische Außenministerium kürzlich.

„Die Intensität der Übungen steigt, die Übungslagen ähneln zunehmend der Vorbereitung auf einen umfangreichen militärischen Konflikt. Weiterhin findet die planmäßige Entwicklung des europäischen Segments der US-/Nato-Raketenabwehr statt“, so das russische Ministerium.

Moskau hat seine Beunruhigung wegen der Verstärkung der Nato-Militäreinrichtungen in der Nähe der russischen Grenze mehrfach geäußert, betonte das Außenamt. Dies insbesondere wegen der Stationierung amerikanischer Systeme Aegis Ashore, die sowohl Abwehrraketen verschießen können als auch Marschflugkörper mittlerer Reichweite.

* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.

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