Freitag, April 26, 2024
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Kritik der Migration von Hannes Hofbauer hat nichts Antimuslimisches an sich

Das Buch „Kritik der Migration“ des Wiener Historikers und Verlegers im Promedia Verlag Hannes Hofbauer provozierte während der Frankfurter Buchmesse ein wenig mehr als andere, weil es Migration grundsätzlich als Ausdruck weltweiter Ungleichheit kritisiert, ohne, wie das die politische Rechte macht, den Migrant in die Verantwortung zu nehmen.

Die Frage der Migration treibe, zumindest im deutschen Sprachraum, alle Parteien vor sich her und werde in der Öffentlichkeit breit diskutiert, sagte Hofbauer im Sputnik-Interview. „Und das reflektiert sich natürlich auch im Buchhandel. Insofern identifiziert das Buch Migranten gar nicht als Täter, weil sie Opfer dieser Migration sind.“

„Wir haben große Probleme, Verwerfungen in den Herkunftsländern der Migration“, stellt Hofbauer fest. „Sie entstehen durch Kriege. Wir sehen es ja gerade aktuell wieder in Syrien, auch in Afghanistan, über Jahrzehnte ist Krieg, den Großteils die westliche Welt unter Führung der USA gegen muslimische Länder führt. Und diese Kriege lösen natürlich Flüchtlingsströme aus. Das verändert die Länder dort, weil vor allem jene weggehen, die jung, dynamisch und männlich sind. Und das verändert auch die Gesellschaften in den Ankunftsländern, weil hier beispielsweise Arbeits- und Wohnungsmärkte davon betroffen sind.“

Der Historiker sagt weiter: „Immer mehr Menschen strömen auf die Arbeitsmärkte, die immer billiger und billiger zur Verfügung stehen. Und dementsprechend ist auch, beispielsweise in Großbritannien, verständlich, warum die Arbeiterschaft für den Brexit gestimmt hat, weil zuvor über eine Million Polinnen und Polen, Litauer und Litauerinnen auf den Arbeitsmarkt geströmt sind. Beim ständigen Zuzug auf die Arbeits- und Wohnungsmärkte bringt man jene durcheinander. Das führte dazu, dass die einheimische Arbeiterschaft gemeint hat, so können wir in dieser Art von Europäischer Union nicht weitermachen.“

Es sei nicht allein die Frage der Migration, so Hofbauer, sondern auch andere Fragen. „Aber wir haben in Deutschland 16 Jahre lang, seit der Mitte der 90er Jahre Reallohnverluste. Es gibt keinen Zugewinn für jene Menschen, die arbeiten. Und das hat natürlich mit dem ständigen Zuzug von Migranten aus anderen Regionen zu tun, die zu viel besseren Bedingungen für die Unternehmer, zu viel billigeren Bedingungen arbeiten.“

Vor einigen Monaten fand in Moskau eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema «Islam und Europa: Wird die Herausforderung der Migration den Kontinent neu formatieren?» statt.  Während der Expertenrunde wurde festgestellt, dass z.B. in Deutschland etwa 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund heutzutage leben, rund ein Viertel der Bevölkerung. Das sind natürlich nicht nur Muslime, aber immerhin etwa 5,5 Prozent.  Russische Islamforscher wiesen auf die Gefahr hin, dass wegen der Alterung und niedrigen Geburtenraten der heimischen Bevölkerung sowie des weiteren Zuzugs der Flüchtlinge die Menschen mit Migrationshintergrund eines Tages die Außen- und Innenpolitik europäischer Länder beeinflussen werden.

Die Kritik der Migration von Hannes Hofbauer hat dagegen nichts Antimuslimisches an sich. Er sieht in Europa auch nicht unbedingt den Hort der Christenheit. „Europa war schon im 10. Jahrhundert im Kalifat von Cordoba muslimisch. Europa war lange Zeit teilweise im Osmanischen Reich muslimisch. Das ist nicht so das Argument, das ich eigentlich ins Treffen führe, um Migration zu kritisieren. Ich denke mir, Migration ist eher ein sozioökonomisches Phänomen als ein kulturelles. Natürlich hat es kulturelle Auswirkungen. Und es ist ein Problem, wenn Menschen aus ihrer Gesellschaft durch Krieg oder durch ökonomische Unfähigkeit, dort zu überleben, herausgerissen werden.“

„Sie können ihre Subsistenz nicht mehr gewährleisten“, urteilt der Experte, „beispielsweise auch in Afrika, ob das jetzt muslimische Menschen sind oder nicht, und hier, in Wohlfahrtstaaten, wenn man so will, in West- und Mitteleuropa ankommen. Dann gibt es Konfrontationen, die auch sich kulturell äußern. Das ist nicht kleinzureden. Nur, mein Argument ist eben keines, das hauptsächlich auf dieser kulturellen Argumentation aufbaut.

Sind politische Ansprüche von Migranten, die innen- und außenpolitische Tagesordnung mitzugestalten, laut?

Hofbauer könne sich vorstellen, „dass migrierende Menschen sich nicht einzeln verorten und integrieren, sondern auch politisch sich äußern.“ Er sieht es als Folge davon, dass sie aus ihren angestammten Heimaten herausgerissen werden. „Das kann man kritisieren, aber das ist eine Art Nachgang dieser ganzen Problematik. Es würde darum gehen, den Menschen Überlebensperspektive dort zu geben, wo sie beheimatet sind.“

Als Beispiel führt der Historiker Syrien an, wo jetzt der Krieg durch die türkische Invasion wieder angeheizt wurde. „In weiten Teilen Syriens aber ist dieser Krieg beendet, wo der syrische Präsident Assad zusammen mit dem russischen Präsidenten Putin schon vor mehreren Monaten gemeint haben, es würde Zeit sein, dass die Menschen, die aus Syrien nach Deutschland oder woanders hin geflüchtet sind, wieder zurückkehren. Und Angela Merkel war die Erste, die gesagt hat, es ist noch nicht Zeit dafür, es wäre zu früh. Sie wollte quasi diese Beruhigung, die dann auch demografisch stattfindet, nicht hinnehmen und benützt diese Migrationswelle aus eigenem Interesse.

Was ist nun zu tun?

In erster Linie sei Friedenspolitik angesagt, ist sich Hofbauer sicher. „Also Kriege zu verhindern. Für Deutschland hieße das eindeutig, raus aus der Nato. Und dann ginge es auch darum, sogenannte Freihandelsabkommen abzuschaffen, die die Europäische Union mit afrikanischen und karibischen Ländern geschlossen hat. Sie dienen nur dazu, um europäische Waren billiger nach Afrika zu bekommen. Theoretisch dienen sie auch dazu, afrikanischen Waren den Zugang zum EU-Markt zu erleichtern. Nur sind diese Waren konkurrenzmäßig dazu nicht in der Lage.“

Und dieses Ungleichgewicht in Freihandelsabkommen führe dazu, so der Experte, „dass die örtlichen gewerbetreibenden Fischer und Bauern in Afrika nicht mehr überleben können. Und die Söhne machen sich dann übers Mittelmeer in die vermeintlich bessere Welt, nach Westeuropa auf. Das gilt es zu verhindern. Also, konkret Friedenspolitik. Konkret gegen diese Partnerschaftsabkommen, economic partnership agreements, aufzutreten. Das sind migrationshemmende Faktoren, die man politisch, wenn man will, angehen kann.“

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