Sonntag, Mai 5, 2024
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Merkel: Ich glaube nicht, dass wir die Politik zu Russland ändern müssen

Bundeskanzlerin Angela Merkel will laut ihren Worten die Politik zu Russland nicht ändern. Dies hat sie während der jährlichen Sommerpressekonferenz am Freitag in Berlin erklärt.

„Das glaube ich nicht, dass wir sie ändern müssen. Ich kann Ihnen genauso viele Fälle aus der Zeit davor nennen, als ich an die Annexion der Krim denke, an unsere Bemühungen nach wie vor in der Ukraine, wenigsten einige Tage keine Toten zu haben, an die Frage des Skripal-Attentats, es ist etwas, was wir als durchgängige Linie sehen”, antwortete Merkel auf die Frage, ob sie die Politik zu Russland im Zusammenhang mit dem Tiergartenmord und dem jüngsten Fall Nawalny ändern wolle.

Aktuelle Themen der Innen- und Außenpolitik: Sommerpressekonferenz der Kanzlerin im Live-Ticker

„Das belastet natürlich immer wieder unser Verhältnis, auch das europäisch russische, nicht umsonst haben wie die Sanktionen verhängt. Ich war mit Putin gerade über Weißrussland im Gespräch, dass die Souveränität des Landes geachtet wird und die Menschen dort ihren Weg gehen. Wie haben immer trotzdem  gesagt – wir müssen mit Russland im Gespräch bleiben, es gibt viele internationale Themen wie bei Syrien, wo Russland ein geostrategischer Akteur ist, mit dem man im Gespräch bleiben muss”, so Merkel.

„Das Ziel ist nach wie vor, gute Beziehungen zu Russland zu haben, Russland ist ein Riesenland mit einer langen Geschichte und einer großen Kultur. Dieser Spannungsbogen zwischen dem, was wir auf der einen Seite erleben, wird uns aber in den nächsten Monaten begleiten”, so Merkel weiter.

Zum Thema der deutsch-russischen Beziehungen sowie der heutigen Lage in Weißrussland kam eine weitere Frage von einem Vertreter der russischen Medien: „Russland will nach Angaben Putins eine Reservetruppe der Polizei für Weißrussland aufbauen, darum hat ihn auch Lukaschenko gebeten. Wie bewerten Sie diesen Schritt?”

„Ich hoffe, dass eine solche Truppe nicht zum Einsatz kommt und dass die Kräfte, die jetzt schon mutig auf die Straßen gegangen sind, die Menschen, die die Missstände benannt haben, dass sie das an Freiheitsmöglichkeiten haben, was wir für uns als selbstverständlich annehmen können: die Demonstrations- und Meinungsfreiheit, für all das muss gekämpft werden in Weißrussland und das ist das Anliegen der Menschen, und das sollen sie eigenständig, ohne Einmischung von außen aus jeder Richtung auch realisieren können. Das ist unser Wunsch”, antwortete die Bundeskanzlerin.  

Merkel stellt „europäische Reaktion” im Fall Nawalny in Aussicht

Darüber hinaus gab es eine Journalsitenfrage zur Situation um den russischen Oppostionspolitiker Alexej Nawalny: „Herr Nawalny ist vergiftet worden, so die Charité, wird in Berlin behandelt und geschützt.

Befürchten Sie nicht, dass solche Aktionen des Kreml immer dreister und brutaler werden auch in Deutschland und in der EU, wenn die Reaktionen darauf mild und rhetorisch bleiben, wie bisher der Fall war?”

Darauf antwortete Merkel: „Ich glaube, dass wir die Pflicht haben, alles zu tun, damit es aufgeklärt werden kann. Es war richtig und gut, dass Deutschland gesagt hat, wir sind bereit. Ich danke auch den Ärzten bei der Charité, den Herrn Nawalny aufzunehmen.” Ferner sagte sie:

„Und jetzt werden wir mit unseren Möglichkeiten, die in der Tat begrenzt sind, versuchen, die Aufklärung herbeizuführen. Und wir werden auch das versuchen, wenn wir mehr Klarheit haben über die Hintergründe, ähnlich wie man das bei Herrn Skripal hatte, dann durchaus eine europäische Reaktion zu haben, nicht nur eine einzelstaatliche Reaktion. Es ist nicht ein deutsches Problem, auch wenn Deutschland jetzt Herrn Nawalny aufgenommen hat.” 

Hintergrund

Die Beziehungen zwischen Russland und westlichen Ländern haben sich wegen der Lage in der Ukraine und um die Halbinsel Krim verschlechtert, die sich im Jahr 2014 nach einem Referendum wieder mit Russland vereinigt hatte.

Der Westen warf Russland Einmischung vor und verhängte Sanktionen gegen das Land. Moskau ergriff daraufhin Gegenmaßnahmen, strebt eine Importsubstitution an und hat wiederholt erklärt, dass es kontraproduktiv sei, mit ihm in der Sprache der Sanktionen zu sprechen. In letzter Zeit wird immer öfter in Europa die Auffassung vertreten, dass die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden müssten.

 

Fall Nawalny 

Alexej Nawalny, einer der bekanntesten Oppositionspolitiker Russlands, war am vergangenen Donnerstagmorgen von Tomsk nach Moskau unterwegs. Während des Fluges soll er sich plötzlich sehr schlecht gefühlt haben, woraufhin das Flugzeug umgehend in der Stadt Omsk notgelandet ist. Nawalny soll noch an Bord das Bewusstsein verloren haben.

Das Umfeld von Nawalny geht von einer Vergiftung aus. Der stellvertretende Leiter des Omsker Krankenhauses, Anatoli Kalinitschenko, teilte mit, dass in Nawalnys Blut und Urin kein Gift oder Spuren davon entdeckt worden seien. Die Omsker Ärzte gaben als vorläufige Diagnose eine Stoffwechselstörung an. Diese soll ein drastisches Absinken des Blutzuckerspiegels verursacht haben.

Am Samstag wurde Nawalny per Flugzeug in die Berliner Charité überführt. Wie es am Montag in der Charité hieß, gebe es Anzeichen für eine Vergiftung mit einer Substanz aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterase-Hemmer. Da noch kein genauer Befund vorliege, werde eine weitere umfassende Analyse vorgenommen. 

Seit dem 24. August hat die Berliner Charité keine weiteren Statements zum Zustand von Nawalny abgegeben. Auf eine erneute Sputnik-Anfrage antwortete eine Sprecherin der Charité am Donnerstagnachmittag, weitere Informationen bereitzustellen, sobald es „kommunizierbare Neuigkeiten“ gibt.

Am Donnerstag hat sich die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation nach Angaben ihres Sprechers Andrej Iwanow an das Bundesjustizministerium in Deutschland gewandt und zu einer Zusammenarbeit im Fall Nawalny aufgerufen.

Mord im Berliner Park

Am 23. August war Zelimkhan Khangoshvili, ein 40 Jahre alter ethnischer Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit, im Kleinen Tiergarten des Berliner Ortsteils Moabit erschossen worden. Der Ermordete wurde nach früheren Angaben der Bundesanwaltschaft von den russischen Behörden als Terrorist eingestuft und verfolgt. Die Bundesanwaltschaft nennt das Opfer „Tornike K.“. Der Täter – angeblich ein 49-jähriger Bürger Russlands – wurde noch am gleichen Tag gefasst und hüllt sich seitdem in Schweigen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Russland vor, nicht bei der Aufklärung des Mordes zu helfen. In diesem Zusammenhang hatte Deutschland im Dezember 2019 zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin ausgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass Russland nicht ausreichend bei der Aufklärung des Falls mitwirke.

Am 12. Dezember sind im Gegenzug zwei Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau ausgewiesen worden.

Giftanschlag auf die Skripals

Sergej und Julia Skripal waren am 4. März 2018 bewusstlos im britischen Salisbury aufgefunden und mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht worden. Von wem und unter welchen Umständen der ehemalige russisch-britische Doppelagent und seine Tochter wirklich vergiftet wurden, ist noch immer unklar. Die britische Regierung behauptete umgehend, dass in den Giftanschlag auf die Skripals mit dem Stoff A-234 der russische Staat verwickelt sei. Russland wies diesen Vorwurf von sich und forderte eine unabhängige Aufklärung.

Die Affäre löste einen diplomatischen Skandal aus: Die damalige britische Premierministerin Theresa May ordnete die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten an. Aus „Solidarität“ mit London wiesen auch die USA, Deutschland und viele weitere EU-Staaten Dutzenden russischen Diplomaten die Tür. Der damalige Außenminister Boris Johnson versprach noch im März, „verblüffende Beweise“ gegen Russland präsentieren zu wollen, tat dies bis zu seinem Rücktritt im Juli aber nicht.

Die Skripals haben nach britischen Angaben überleben und sogar schnell genesen können, was einige Experten als merkwürdig bezeichneten. Seitdem ist der Verbleib der beiden nicht öffentlich bekannt. Die russische Seite vermutet sogar, dass Sergej und Julia Skripal in Großbritannien gewaltsam festgehalten werden.

ai/ak/lk/sna/ae

Quelle!:

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