Montag, April 29, 2024
StartZARONEWS PresseAgentur„Mir erschließt sich die Komik nicht…” – Kanzlerin gewährt ihre Sommer-Presse-Audienz

„Mir erschließt sich die Komik nicht…” – Kanzlerin gewährt ihre Sommer-Presse-Audienz

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vor ihrer Abreise in den Sommerurlaub traditionsgemäß den in Berlin akkreditierten Medienvertretern für Fragen zur Verfügung gestellt. Wirklich schlagzeilenträchtige Äußerungen waren nicht darunter. Dafür wieder einmal eigenwillige Interpretationen von Standards, die dem Westen angeblich so viel bedeuten.

Seit Angela Merkel die Einladungen des Vereins der Bundespressekonferenz (BPK) annimmt, sich in einer inzwischen vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) auch offiziell als „Sommerpressekonferenz“ bezeichneten Zusammenkunft den Fragen der am deutschen Regierungssitz akkreditierten Journalisten zu stellen, bevor sie ihren Jahresurlaub antritt, spielt sich dort das immer gleiche Ritual ab.

Sie gibt einen Überblick über die aus ihrer Sicht geleistete Arbeit ihrer Regierung und beantwortet dann ziemlich abgebrüht Fragen, auf die niemand gewartet hat. Denn eigentlich wartet sie zusammen mit allen Anwesenden auf die erste Kollegin oder den ersten Kollegen, die tatsächlich noch versuchen, ihr eine substanzielle Aussage zu ihren Urlaubszielen und Urlaubsplänen zu entlocken. Was sie davon hält, konnte man in den zurückliegenden Jahren sehr zuverlässig an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, von dem sie selbst einmal bekannt hat:

„Also, ich hab‘ das aufgegeben. Ich kann’s nicht. Es ist bitter, aber ich kann’s nicht.“ (Angela Merkel, 26.Juni 2017, „Brigitte Live“, Maxim-Gorki-Theater, Berlin)

Gemeint war ihr Unvermögen, ein so genanntes Pokerface aufzusetzen. Inzwischen ist es so, dass ein wie auch immer pokerndes Kanzlerinnengesicht überhaupt keine Rolle mehr spielt, weil niemand mehr nach ihren Urlaubsplänen fragt. Außer einer wackeren Kollegin, die im letzten Drittel der Veranstaltung doch noch einen halbherzigen Versuch unternimmt und von Merkel kühl, beinahe mitleidig mit einem spöttisch gemeinten Satz abgespeist wird, worüber aber niemand lacht.

Heitere Momente in einer ansonsten eher langatmigen Pressekonferenz

Dabei hatte die Pressekonferenz durchaus heitere Momente, auch wenn das in der offiziellen Mitschrift des BPA nur einmal mit der Bemerkung „…(Heiterkeit)…“ protokolliert wurde. Das betraf den Moment, als Angela Merkel einer Frage elegant auszuweichen versuchte, die im Zusammenhang mit der femininen Personalrochade, die sich gerade in ihrem Kabinett vollzogen hat, aufgerufen wurde. Die Fragestellerin versuchte, es nicht ganz so offensichtlich wirken zu lassen. Weshalb sie die Kanzlerin daran erinnerte, nachdem zuvor die Minister Seehofer und Maas besprochen wurden, dass sie da doch auch einen „sehr tüchtigen“ Gesundheitsminister hat und wie der denn so im Vergleich zu seinen vier Vorgängern sei, die bislang unter ihrer Ägide gearbeitet haben.

Natürlich wusste die erfahrene Regierungschefin, woher der Wind pfiff. Aber dass die mit ihrem berühmten, von keinen Pokerface-Attacken verunstalteten Gesichtsausdruck vorgetragene Antwort, „ich arbeite sehr gut mit Jens Spahn zusammen. Er schafft eine Menge weg, wenn ich das einmal so sagen darf“, den halben Saal wie in der Oberprima vor sich hin kichern ließ, quittierte sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag nebst der Bemerkung: „Da erschließt sich mir die Komik nicht.“ Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass dies sogar der Wahrheit entspricht.

Ein denkwürdiger Augenblick war, als Angela Merkel zusammen mit dem Saal erlebte, wie eine Journalistin mit ihrer Frage mehr oder weniger geradlinig auf die nächstgelegene Trauerhalle zusteuerte:

„Mit Frau von der Leyen in Brüssel und Frau Kramp-Karrenbauer jetzt im Kabinett haben Sie ein Stück weit Ihren Nachlass geregelt…“

Das Kartenspiel, das sich in diesem Augenblick auf dem Gesicht der Kanzlerin abzubilden begann, war jedenfalls nicht Poker, und die Geräuschkulisse im Saal erinnerte nicht an „…(Heiterkeit)…“.

Westliche Doppelstandards werden zur Aufführung gebracht – Teil 1 Russland

Alles andere als Heiterkeit auslösend war auch die Frage einer italienischen Journalistin, die auf angeblich oder tatsächlich skandalöse Verbindungen zwischen der italienischen Regierungspartei Lega und der russischen Regierung zu sprechen kam. Warum die geschätzte Kollegin meinte, ihre Frage mit der offenbar unvermeidlichen, im Übrigen aber unzutreffenden Diffamierung garnieren zu müssen: „Wie besorgt sind Sie allgemein über die ständigen Versuche Russlands, in Europa Einfluss zu nehmen und Europa auch kaputtzumachen?“, wird wohl ihr kleines Geheimnis bleiben.

Die Antwort von Angela Merkel beinhaltete auch diese zwei Sätze:

„Wir haben immer wieder gesehen, dass rechtsorientierte populistische Parteien sehr stark von Russland doch in dieser oder jener Form Unterstützung erfahren. Das ist Grund zur Besorgnis.“

Diese „Besorgnis“ ist deshalb erwähnenswert, weil die besorgte Bundeskanzlerin nur wenige Minuten zuvor zugeben musste, dass sie mit der in Polen regierenden PiS-Partei vertrauliche Absprachen für die Unterstützung bei der Wahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission getroffen hatte. Jene PiS-Partei, der zusammen mit anderen osteuropäischen Parteien gerne nachgesagt wird, sie würden mit ihren Positionen und ihrem Regierungshandeln das Rechtsstaatsprinzip zerstören, Medien gleichschalten, die EU spalten… Manche würden es auch so formulieren, sie würden ständig versuchen, „in Europa Einfluss zu nehmen und Europa auch kaputtzumachen“. Aber wir zitieren sicher wieder nur falsch. Typische Kreml-Propaganda eben, wir können nicht anders.

Westliche Doppelstandards werden zur Aufführung gebracht – Teil 2 Waffenexporte

Es war allerdings nicht der einzige Moment, in dem diese Vorliebe für westliche Doppelstandards vorgetragen wurde. Es gab sogar ganz im Gegenteil einen Moment unvergleichlicher Dreistigkeit, über den zu Recht niemand in „…(Heiterkeit)…“ ausbrach. Die Bundeskanzlerin wurde nämlich gefragt:

„Frau Merkel, es geht um den Satz im Koalitionsvertrag, dass es keine Waffenlieferungen an direkt Beteiligte im Jemenkrieg gibt. Bislang haben wir – seit eineinhalb Jahren – von Ihnen, von der Bundesregierung nicht erfahren, wer diese direkt Beteiligten sind. Können Sie die uns heute bitte verraten?“

Die Antwort von „Frau Merkel“ würden wohlmeinende Beobachter als „nur suboptimal den Tatsachen entsprechend“ bezeichnen. Wir bezeichnen sie dagegen ganz uncharmant als dreist:

BK’in Merkel: „Sie können es ziemlich gut sehen aus den Berichten über unsere Rüstungsexporte, wer keine Waffen bekommt. Da ist es, so glaube ich, relativ erkennbar.“

Der fragende Kollege hakt selbstredend einigermaßen erstaunt nach:

„Zusatzfrage: Saudi-Arabien, die VAE, das sind die Hauptkriegstreiber dort im Jemenkrieg, an die wird geliefert, Frau Merkel.“

„Frau Merkel“ machte es kurz:

„Ja.“

Schon das war eigentlich nur schwer erträglich, aber es kam noch besser. Oder, um in unserem Duktus zu bleiben: es kam noch dreister. Denn Angela Merkel wird darauf hingewiesen, dass auch die USA, neben einigen anderen Staaten, mit deutschen Rüstungsgütern im Jemen aktiv sind. „Wie kann das sein?“ will der Journalist wissen. Die darauffolgende Antwort der deutschen Regierungschefin ist so unfassbar atemberaubend, dass wir sie im vollen Wortlaut wiedergeben müssen, um das ganze artistische Ausmaß westlicher Doppelstandards zu erfassen, die hier zur Aufführung gelangten:

BK’in Merkel: „Wir haben abzuwägen – das haben Sie ja sicherlich auch verfolgt – zwischen der Frage unserer Verlässlichkeit in der europäischen Kooperation mit unseren Partnern bei der Herstellung von Waffen und Rüstungsgütern und der Frage dieses Satzes im Koalitionsvertrag, den wir natürlich national abgeschlossen haben. Es gibt zum Beispiel eine Beteiligung Deutschlands am Bau von Eurofightern in Großbritannien. Großbritannien verfolgt wie wir das Ziel, den Jemenkrieg möglichst schnell zu beenden. Aber Großbritannien glaubt, dass man durch die Einhaltung seiner Lieferverpflichtungen mehr Einfluss auf die politischen und diplomatischen Möglichkeiten der Lösung eines solchen Konfliktes hat, als wenn man seine Verträge nicht einhält. Da gibt es eine unterschiedliche Bewertung: Wie habe ich mehr Einfluss darauf, diesen Krieg möglichst schnell zu beenden? Wir wollen ihn dadurch beenden, dass wir sagen: Wir liefern euch in der Zeit auch keine Waffen. Wir können aber auch Großbritannien nicht sozusagen in Geiselhaft nehmen, und deshalb haben wir uns entschieden, zumindest den Weiterbau der Eurofighter zu ermöglichen in der Erwartung, dass trotzdem dann nicht geliefert wird. Aber das können wir nicht rechtlich verbindlich, sondern nur als politische Erwartung diskutieren, das werden wir auch weiter mit den Briten besprechen. Ähnliche Fälle haben wir auch mit Frankreich. Da muss man einfach zwischen Verlässlichkeit zwischen europäischen Partnern und seinem eigenen politischen Ziel auch zum Teil Abwägungen treffen.“

Westliche Doppelstandards werden zur Aufführung gebracht – Teil 3 Iran

Diese schmerzbefreite Attitüde des „Ich lege meine angeblichen Werte und Regeln aus, wie es mir gerade passt und nützt. Aber Du darfst das nicht!“ wurde offenkundig, weil zufälligerweise unmittelbar nach diesem flammenden Plädoyer der deutschen Regierungschefin für die immer wieder vielbeschworene „Herrschaft des Rechts“ das internationale Atomabkommen mit dem Iran zur Sprache kam. Und in der Antwort darauf wechselte die Bundeskanzlerin natürlich wieder in die Rolle der Lehrmeisterin aus dem goldenen Westen:

„Sowohl der Einfluss in Syrien, die Haltung zu Israel sowieso, als auch die Einflüsse im Blick auf den Jemenkrieg besorgen uns sehr, auch das ballistische Raketenprogramm. Insofern gibt es guten Anlass, über das Abkommen hinaus mit dem Iran auch weitere Gespräche zu führen, um bei diesen Aktivitäten auch Restriktionen zu haben.“

Ob es der Bundeskanzlerin oder anderen westlichen Staatenlenkern je in den Sinn gekommen ist, dass es genau diese Doppelstandards „des Westens“ sind, die zum Vertrauens- und Ansehensverlust westlicher Demokratien in der Welt beitragen, kann nur Angela Merkel beantworten. Ob sie solche Fabel-Antworten gibt, weil „eine Offenheit, immer wieder neue Situationen zu bewerten“ zu jenen Eigenschaften gehört, die sie auf Nachfrage als eine der wichtigsten bezeichnete, die sie als Politikerin gebraucht habe, kann ebenfalls nur sie beantworten.

Wenn sie dann trotzdem Sätze von sich gibt wie:

„Das aus meiner Sicht Allerwichtigste ist, dass man immer neugierig auf Menschen bleibt. Wir machen ja Politik für Menschen“, sollte sie sich nicht zu sehr wundern, wenn Menschen, für die sie „ja Politik“ mache, ihr eventuell antworten, sie müsste damit wohl andere Menschen meinen. Aber darüber kann sie ja nun im Urlaub sinnieren, für den wir ihr gute Erholung wünschen.

Quelle!:

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