Sonntag, Mai 5, 2024
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„Sozialdemokratisierung der CDU“ oder „Sozialpolitischer Meilenstein“ – Durchbruch bei Grundrente

Nach dem erbitterten Streit um die Bedürftigkeitsprüfung bei der sogenannten Grundrente haben sich Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt. Dieser sieht eine Bedarfsprüfung über einen Einkommensabgleich vor. Aus der Opposition kommt harsche Kritik. Auch Sputnik-Leser positionieren sich bei dem Thema deutlich.

Die von der Koalition geplante Grundrente soll zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Menschen erreichen. Sie solle ab 2021 fließen. Darauf einigten sich die Spitzen der Koalition am Sonntag nach mehr als sechsstündigen Verhandlungen im Kanzleramt. Mit der Grundrente sollen Rentner einen Zuschlag bekommen, die 35 Beitragsjahre haben und deren Beitragsleistung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Geplant ist eine umfassende Einkommensprüfung. Dabei soll ein Einkommensfreibetrag in Höhe von 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für Paare gelten. Die Einkommensprüfung soll „automatisiert und bürgerfreundlich“ durch einen Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern erfolgen.

Flankierend zur Grundrente will die Koalition zudem einen Freibetrag beim Wohngeld im Volumen von etwa 80 Millionen Euro einführen: Die Verbesserung in der Rente soll nicht durch eine Kürzung des Wohngeldes aufgefressen werden.

Den Zuschlag bekommt, wer 35 Jahre mit Beiträgen aus Arbeit, Pflege oder Erziehung aufweist, aber nur wenig verdient hat. Der SPD war wichtig, dass möglichst viele Menschen niedrige Bezüge mit der Grundrente aufbessern. Für die Union war zentral, dass sie nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ ausgeschüttet wird. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte ursprünglich ein Konzept vorgelegt, nach dem das Projekt bis zu 4,8 Milliarden Euro kosten und drei Millionen Menschen zugutekommen sollte. Nun sollen die Kosten laut CSU-Chef Markus Söder bei 1 bis 1,5 Milliarden Euro liegen. Finanziert werden soll dies ausschließlich aus Steuermitteln – etwa durch die geplante Finanztransaktionssteuer.

„Wir haben es hingekriegt“, freut sich Arbeitsminister Heil. Es sei ein Erfolg für die Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet, die Kinder erzogen haben und die Angehörige gepflegt haben. Er bezeichnet die Einigung in der Grundrentenfrage als „sozialpolitischen Meilenstein“.

AfD: „Sozialdemokratisierung der CDU“

Den Kompromiss kritisiert hingegen AfD-Chef Jörg Meuthen. Der CDU wirft er „Sozialdemokratisierung“ vor. Die Partei sei endgültig in der Sozialdemokratie angekommen. „In der gesamten Grundrenten-Debatte haben die Kartellparteien ihr jahrzehntelanges Versagen in der Rentenpolitik eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, so Meuthen.

FDP: „Dreifach unfair“

Den Koalitionskompromiss zur Grundrente bemängelt auch die FDP. „Das ist ein klassischer schlechter Kuhhandel zur Gesichtswahrung“, schreibt FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg auf Twitter.

Der rentenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, sagte nach Informationen der „Deutschen Presse-Agentur“ (DPA): Die Union habe ein schlechtes Modell der SPD dauerhaft geschluckt und dafür gerade einmal die befristete Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung als Trostpflaster bekommen. Das Modell, auf das sich Union und SPD geeinigt haben, sei „dreifach unfair“. Sehr viele Menschen, die von Altersarmut bedroht seien, aber auf weniger als 35 Versicherungsjahre kämen, gingen komplett leer aus. Da es keine echte Bedürftigkeitsprüfung gebe, würden viele neue Ungerechtigkeiten geschaffen.

Die Linke: „Rentenniveau muss steigen“

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warf der großen Koalition vor, sie habe wenig Respekt vor der Lebensleistung hart arbeitender Menschen. „Zynisch ist: Bei E-Autos gibt es üppige Kaufprämien mit der Gießkanne, und bei der Grundrente schaut die Koalition ins Portemonnaie der Rentner, die jahrzehntelang eingezahlt haben“, sagte Bartsch den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe“. Hingegen fordert Bartsch: „Das Rentenniveau muss steigen – Richtung 53 Prozent, wie unter Kohl. Alle müssen einzahlen, auch Frau Merkel und ich!“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach zwar von einem „richtigen Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut“. Sie verlangte aber Nachbesserungen. „Im Gesetzgebungsverfahren werden wir dafür werben, dass die Zugangshürden der Grundrente abgesenkt und eine unbürokratische Einkommensprüfung durchgeführt wird“, sagte Göring-Eckardt den „Funke-Zeitungen“. So solle es die Grundrente schon nach 30 statt 35 Jahren an Beitrags- und Versicherungszeiten geben.

„Intelligenter Kompromiss“

Der Kompromiss zur Grundrente sehe die „Installation einer Zweiklassen-Grundsicherung“ vor, meint Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des „Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands“. „Freibeträge auf Renteneinkommen nur bei 35 Versicherungsjahren, volle Anrechnung bei allen anderen. Das ist Willkür und schreiend ungerecht“, empört sich der Sozialfunktionär via Twitter. Schneider sieht in dem Kompromiss eine Diskriminierung von Rentnern mit weniger als 35 Beitragsjahren in der Grundsicherung. Dies müsse dringend korrigiert werden, fordert der Hauptgeschäftsführer. Doch bei aller Kritik, „die man im Detail haben kann und muss“, findet Schneider zugleich lobende Worte: „Der Kompromiss zur Grundrente ist besser, als man hätte erwarten dürfen, kein fauler, sondern ein intelligenter Kompromiss. Ausbaufähig. Zwingend sind einheitliche Freibeträge auf Renten für ALLE Grundsicherungsbezieher.“

Auch Sputnik-Leser haben sich beim GroKo-Streit deutlich positioniert: Auf die Frage, wie das Konzept der Grundrente aussehen sollte, haben sich 49,8 Prozent der Befragten und damit die Mehrheit für eine „Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung (SPD)“ entschieden. 29,5 Prozent sprechen sich für eine „Grundrente unter Voraussetzung einer Vermögensprüfung (Union)“ aus. 13,2 Prozent meinen, „Deutschland brauche keine Grundrente“. Für eine Grundrente mit gleichzeitigen Steuerentlastungen für Unternehmen sprechen sich nur 2,8 Prozent aus. Abgestimmt hatten 2.326 Leser.

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