Freitag, April 19, 2024
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„Zermürbt zwischen Loyalität zu Merkel und CDU-Führung“: Biograf sieht AKK in einer Zwickmühle

In der Biografie aus dem Jahr 2018 „Die Macht ist weiblich – Annegret Kramp-Karrenbauer“ sah Autor Manfred Otzelberger in der damaligen CDU-Generalsekretärin schon fast „Germany‘s next Kanzlerin“. Nun hat AKK ihren Rücktritt von der Kanzlerkandidatur angekündigt. Warum die CDU-Politikerin scheiterte, erklärt der Biograf im Sputnik-Interview.

„Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann Annegret Kramp-Karrenbauer die Nachfolgerin von Angela Merkel sein“. Das sagte gegenüber Sputnik der Autor der Biografie „Die Macht ist weiblich – Annegret Kramp-Karrenbauer“ und Redakteur der Zeitschrift „Bunte“, Manfred Otzelberger, im Oktober 2018. Zudem hätte AKK die Fähigkeiten, ihre Partei aus dem Umfragetief herauszuholen, versicherte damals Otzelberger.

Doch es kam anders: Zwar beerbte sie im Dezember 2018 Angela Merkel als CDU-Chefin, vor einer Kanzlerkandidatur machte Kramp-Karrenbauer aber letzte Woche einen Rückzug. Derweil dümpelt die CDU weiterhin auf Umfragewerten von rund 27 Prozent herum – nach dem „politischen Beben“ in Thüringen Tendenz sinkend.

Woran scheiterte AKK?

Es sei viel in Kramp-Karrenbauer hineinprojiziert worden, glaubt Otzelberger. „Da war viel Hoffnung. Sie schien sich mit der Bundeskanzlerin prächtig zu verstehen. Sie hatte auch den Mut, von einem hohen Staatsamt als Ministerpräsidentin in ein hohes Parteiamt der Generalsekretärin zu wechseln, das auch Gestaltendes und Dienendes in sich hat. Die Lage hat sich relativ schnell gedreht, als Angela Merkel vom CDU-Vorsitz zurückgetreten war. Und das hat dann eine Eigendynamik entwickelt“, sagt der Biograf Otzelberger im Sputnik-Interview am Dienstag.

Manfred Otzelberger, der bereits Biografien über den gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz sowie die umstrittene ehemalige CSU-Politikerin Gabriele Pauli veröffentlichte, traf Kramp-Karrenbauer seit ihrem Amtsantritt als Generalsekretärin über 30 Mal und führte 50 Gespräche mit Freunden und Gegnern der CDU-Politikerin.

Dabei hätte sie sich nicht zurückziehen müssen, „sie wollte es“, glaubt der Biograf. „Ich denke, dass sie schon zermürbt war, wenn man über so eine lange Zeit schlechte Umfragewerte bekommt.“ Erst im Dezember letzten Jahres zeigte eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „YouGov“ im Auftrag der „Deutschen Presse-Agentur“, dass sich nur 5,2 Prozent der Befragten Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Kanzlerin vorstellen können. Noch vor ihr lagen CSU-Chef Markus Söder (8 Prozent) und der CDU-Politiker Friedrich Merz (13 Prozent).

„Ich glaube, sie hatte da keine Hoffnung mehr, dass sie in der Popularität, die für einen Kanzlerkandidaten sehr wichtig ist, nochmal einen Turnaround schafft“, meint der Autor. Die desaströsen Umfragewerte führt Otzelberger auf die „zu große Ähnlichkeit mit Merkel“ zurück, die viele in Kramp-Karrenbauer gesehen hätten. Beide Politikerinnen hätten eher einen sachlichen, nüchternen Zugang zur Politik und zum Lösen von Problemen, so der „Bunte“-Redakteur.

Auch mangelnde Solidarität in ihrer Partei hätte sie zu dem Entschluss gebracht, die Kanzlerkandidatur abzulehnen – und das „gerade in den schwersten Stunden von Kramp-Karrenbauer“. „Sie hatte zwar viele Punkte im Vorstand einstimmig verbschieden lassen, aber sie konnte sich dann eben nicht gegen Provinzfürsten wie in Thüringen durchsetzen. Eigentlich müsste man die Thüringer CDU aus der Partei ausschließen. Aber das geht natürlich nicht. Es ist nun mal formal so geregelt. Die CDU-Chefin ist nun mal nicht die Vorgesetzte der Landesgliederungen“. Durch die umstrittene Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, wo der FDP-Landespolitiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP zum Regierungschef gewählt wurde, hätte sie einen zusätzlichen Autoritätsverlust erlitten, meint Otzelberger.

Mangelnde Erfahrung in der Bundespolitik?

In seinem Buch bezeichnet er die Ex-Ministerpräsidentin des Saarlandes als „sanfte Machtpolitikerin“, die kaum Feinde habe. Doch das hätte sich nach der Wahl zur CDU-Vorsitzenden geändert, bestätigt Otzelberger: „Wer in der Politik in so einem Amt ist, als CDU-Chefin, und so viele widerstrebende Interessen zusammenhalten muss, der zieht natürlich Giftpfeile auf sich. Und der muss sehr, sehr robust sein. Er muss sehr viel Resilienz haben und braucht natürlich Unterstützer.“ Doch die Zahl der Zweifler sei immer größer geworden.

Die Bundespolitik dürfe man nicht unterschätzen, mahnt Otzelberger. Er erinnert an die politische Karriere von Kurt Beck, „der ein toller Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz war, aber als SPD-Vorsitzender überfordert und zermürbt wirkte.“ Otzelberger erinnert auch an den Kanzlerkandidaten der SPD Martin Schulz, der von der EU-Politik gekommen und von der Dynamik der Bundespolitik „etwas überrollt“ worden sei. „Bundespolitik ist nun mal die schwierigste Disziplin: die Berliner Journaille, ganz viele Menschen, die auf Fehler lauern. Und Kramp-Karrenbauer hat ja auch ein paar Mal zugestanden, dass sie da nicht ganz glücklich agiert hat – das hat sicherlich auch zum Rückzug der CDU-Chefin beigetragen. Aber ich glaube nicht, dass das entscheidend war, sondern die Menschen haben sich total an Angela Merkel gewöhnt. Sie erfreut sich unglaublich hoher Zustimmungswerte. Unter Angela Merkel zu arbeiten, da ist es sicherlich für jeden schwer, Profil und Popularität zu erlangen“, bemerkt der Journalist.

„Rückkehr nach Saarland ausgeschlossen“

Seiner Ansicht nach sind die Forderungen „wahrscheinlich sinnvoll“, dass CDU-Vorsitz und Kanzleramt in einer Hand liegen sollen, weil es ansonsten immer wiederstrebende Interessen gebe. „Es war für Kramp-Karrenbauer eine sehr undankbare Aufgabe, sich als Parteivorsitzenden neben Angela Merkel zu profilieren, ohne die Grundloyalität zu ihr aufzugeben.“ AKK sei in einer Zwickmühle, und das habe zu einer gewissen Resignation geführt, glaubt der Buchautor.

Nach dem Rückzug hält er eine Rückkehr in die Landespolitik des Saarlands, wo AKK eine erfolgreiche Ministerin und Ministerpräsidentin gewesen sei, für ausgeschlossen. „Sie hat ihren Nachfolger installiert, Tobias Hans. Das ist ein sehr guter, junger Ministerpräsident, der im Saarland bereits viel Ansehen erworben hat. Ein politisches Amt im Saarland, wo sie bis heute hoch angesehen ist, wird sie sich wohl kaum mehr antun, es wäre ein Rückschritt. AKK wird im Amt der Bundesverteidigungsminister bleiben, daran hat sie Gefallen gefunden, und die Soldaten mögen sie deutlich mehr als ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen“, so der AKK-Biograf.

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