Samstag, April 27, 2024
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Zwischen Jubel und Entsetzen – Deutsche Umwelthilfe erzwingt Förderstopp im Tagebau Jänschwalde

Die Deutsche Umwelthilfe hat vor dem Verwaltungsgericht Cottbus einen vorläufigen Förderstopp des Braunkohle-Tagebaus Jänschwalde zum 1. September durchgesetzt. Wie das Gericht am Freitag mitteilte, fehlt nach wie vor eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Betrieb des Kraftwerkes Jänschwalde kann vorerst durch andere Tagebaue beliefert werden.

Zwei Tage vor den mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Brandenburg, konnte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen weiteren juristischen Sieg gegen die Lausitzer Energie Bergbau AG (Leag) erringen. Diese hatte bereits am 27. Juni 2019 vor dem Verwaltungsgericht eine Niederlage erlitten, als die DUH durchsetzen konnte, dass ihr Widerspruch gegen den sogenannte Hauptbetriebsplan des Tagebaus Jänschwalde wieder in Kraft gesetzt wurde. Denn, so das Gericht seinerzeit, der Hauptbetriebsplan hätte nie in Kraft gesetzt werden dürfen, weil eine zwingend vorgeschriebene sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung (FFH-Prüfung) für den Tagebau fehlt. Doch das Gericht räumte der Leag eine Frist bis zum 1. September 2019 ein, diese FFH-Prüfung nachzuholen oder aber Sicherungsvorkehrungen für die Stilllegung des Tagebaus zu ergreifen. Die DUH hatte bemängelt, dass durch die sogenannten Sümpfungsmaßnahmen für die Abbaufähigkeit des Tagebaus umliegende Moore gefährdet werden, die unter Naturschutz stehen.

Eilantrag auf Fristverlängerung scheiterte

Am 28. August 2019 reichte die Leag vor dem Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf Gewährung einer Fristverlängerung bis zum 1. November 2019 ein. Denn am gleichen Tag hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Beschwerden der Leag und des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe zurückgewiesen. Der Eilantrag auf Fristverlängerung wurde durch das Verwaltungsgericht Cottbus mit der Begründung abgelehnt, weil

„die Lausitzer Energie Bergbau AG keine Gründe vorgebracht hat, die eine Änderung der bereits getroffenen Entscheidung rechtfertigen könnten. Die beantragte Verlängerung liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass der Jahreshauptbetriebsplan de facto vollständig unter Verstoß gegen zwingendes Recht vollzogen würde. Soweit die Lausitzer Energie Bergbau AG u.a. Erlösverluste beklagt, verwirklicht sich dabei jenes unternehmerische Risiko, das sie in Kenntnis der frühzeitig geäußerten Bedenken eingegangen ist, indem sie auf eine FFH-Prüfung im Vorfeld des Hauptbetriebsplans verzichtet hat.”

Umwelthilfe verteidigt ihre Klage gegen den Tagebau

Während die DUH und die mitklagende Grüne Liga die Entscheidung freudig begrüßten, herrscht nicht nur bei der Leag, sondern vor allem in der brandenburgischen Landesregierung Fassunglosigkeit. Denn die Gerichtsentscheidung droht der rot-roten Koalition in Potsdam zwei Tage vor der Landtagswahl endgültig das Genick zu brechen. DUH und Grüne Liga sind im Internet umgehend in die Kritik geraten, sie würden sich als Wahlkampfhelfer der AfD betätigen. Am Tagebau Jänschwalde hängen mehr als 500 Arbeitsplätze. Die Verunsicherung in der gesamten Region ist enorm, in der die Braunkohle-Verstromung der einzige nennenswerte Arbeitgeber ist, der noch angemessene Löhne zahlt.

„Die Leag hat inzwischen selbst eingeräumt, dass die Prüfung, ob die Weiterführung des Tagebaus mit der Erhaltung geschützter Feucht- und Moorgebiete vereinbar ist, sehr schwierig ist“verteidigt sich die DUH einen Tag vor der Cottbusser Gerichtsentscheidung auf ihrer Internetseite.

„Der gestern offiziell eingereichte Antrag beim VG Cottbus, die Abgabefrist vom 31. August bis Ende November zu verlängern, ist deshalb ein Offenbarungseid der katastrophalen Planung der LEAG. Sie beantragt damit, auch weiterhin auf rechtswidriger Grundlage den Tagebau fortführen zu dürfen. Damit vernachlässigt sie grob ihre Vorsorgepflicht zur recht- und ordnungsgemäßen Führung eines Tagebaus.“ 

Interessant ist, dass für diese Stellungnahme nicht der sonst omnipräsente Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch verantwortlich zeichnete, sondern der zweite Bundesgeschäftsführer, Sascha Müller-Kraenner. Ob das der Versuch der DUH war, in dieser Situation nicht auch noch zusätzlich ein Gesicht und einen Namen zu präsentieren, der durch die Dieselfahrverbotsklagen für viele Menschen so etwas wie ein rotes Tuch geworden ist, ist nicht bekannt.

Auch Grüne Liga verteidigt sich

Auch Rene Schuster, Koordinator der Bundeskontaktstelle Braunkohle der Grünen Liga bemühte sich, den Frust der in der Braunkohleindustrie der Lausitz beschäftigten Menschen und ihre Zukunftsängste auf die Leag zu lenken:

„Die LEAG-Beschäftigten haben darauf vertraut, dass der Tagebau nach Recht und Gesetz geführt wird – sie sind von den Entscheidungsträgern schwer enttäuscht worden. Bereits im Frühjahr 2010 haben wir intensiv darauf hingewiesen, dass der Bau einer Grundwasserabdichtungswand nördlich des Tagebaues möglich und notwendig ist. Unternehmen und Bergbehörde haben diesen Hinweis ignoriert. Der Konflikt zwischen Tagebau und geschützten Feuchtgebieten wurde sehenden Auges immer weiter verschärft. Der nunmehr eintretende Stillstand des Tagebaues ist die direkte Folge der damaligen Fehlentscheidung.“

Leag ist verbittert

In der Erklärung von Leag-Bergbau-Vorstand Uwe Grosser ist die Verbitterung deutlich herauszuhören.

„Wenn die Deutsche Umwelthilfe und die Grüne Liga den Tagebaustopp von Jänschwalde jetzt als einen Erfolg für den Naturschutz feiern, dann zeugt dies von großer Unwissenheit. Ihnen sollte klar sein, dass ein Tagebaubetrieb, auch mit Rücksicht auf die ihn umgebende Natur und Umwelt und auf die dicht am Tagebaurand liegenden Dörfer, nicht einfach von heute auf morgen die Grubenwasserhebung einstellen kann, wie sie es fordern. Und offenbar wollen sie auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass gerade mit dem Grubenwasser, gegen dessen Hebung sie gerichtlich zu Felde ziehen, schon heute gerade Naturschutzgebiete, um deren Schutz es ihnen angeblich geht, am Leben gehalten werden. Die DUH und die Grüne Liga haben mit ihrer Klage nichts Positives für Natur und Umwelt erreicht.“

Gewerkschaft IG BCE sorgt sich um Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region

Auch die Gewerkschaft IG Bergbau, Energie, Chemie (IG BCE) ist alarmiert. Der Leiter des  für den Tagebau zuständigen IG BCE Landesbezirkes Nordost, Oliver Heinrich, wird von der Tageszeitung „Welt“ mit den Worten zitiert:

„Wer eine sozial verantwortliche und wirtschaftlich vernünftige Energiewende will, darf nicht zulassen, dass Einzelne ihre einseitigen politischen Ziele über Gerichte herbeiklagen.“

Heinrich sieht nun hunderte Arbeitsplätze in Gefahr. Diese Sorge betrifft indes nicht nur die Beschäftigten des Tagebaus Jänschwalde. Denn der Gewerkschafter sieht wahrscheinlich auch die anderen Braunkohlejobs in der Region bedroht. Immerhin beliefert der Tagebau Jänschwalde das gleichnamige Kraftwerk mit tausenden Tonnen Kohle für die Stromerzeugung. Das Kraftwerk scheint nicht seinen Betrieb einschränken zu müssen oder gar einzustellen, denn nach Auskunft der Leag kann es durch andere Tagebaue versorgt werden. Ob die Leag eine mögliche Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen wird und ob die überhaupt Aussicht auf Erfolg hat, ist bei Redaktionsschluss dieses Artikels unklar.

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